Evaluation von Versorgungsformen
Ein Anwendungsfeld des Fachgebiets für Gesundheitsökonomie ist die Evaluation von neuen Versorgungsformen. Zu neuen Versorgungsformen oder neuen Versorgungsmodellen zählen Veränderungen in den Strukturen und Prozessen des Gesundheitswesens, die eine Verbesserung der Ergebnis- und/oder Strukturqualität im Vergleich zur Regelversorgung bzw. einem adäquaten Standard bewirken sollen. Das MRC-Framework (Medical Research Council, 2006 & 2015) skizziert die Schritte von der Theorie- und Hypothesenbildung einer neuen Versorgungsform samt Modellierung von Wirkungsmechanismen über die Pilot- und Machbarkeitsphase hin zu der Wahl des Studiendesigns und der anschließenden Feldphase, welche von einer Evaluation inklusive Wirksamkeitsanalyse, gesundheitsökonomischer Evaluation sowie Prozessevaluation begleitet wird. Alle Schritte müssen a priori gut strukturiert und gemäß dem aktuellen Forschungsstand geplant werden, damit die Evaluation robuste Effekte nachweisen kann.
Die Wirksamkeitsanalyse hat zum Ziel, pragmatische Fragen über die medizinischen Auswirkungen von Interventionen zu beantworten, um einen direkten Beitrag zur Wahlentscheidung zwischen den in der Regelversorgung bereits bestehenden Versorgungsmechanismen und innovativen Interventionsoptionen zu leisten. Das Fachgebiet für Gesundheitsökonomie legt dabei einen besonderen Fokus auf die Analyse von komplexen Interventionen. Dabei handelt es sich um medizinische Maßnahmen, die aus mehreren interdependenten Einzelkomponenten bestehen (z. B. Disease-Management-Programme). In Wirksamkeitsstudien wird eine Intervention in Stichproben und Settings getestet, die repräsentativ für die alltägliche Versorgungspraxis sind. Im Falle komplexer Interventionen muss der jeweilige Beitrag sowie der wechselseitige Einfluss der Einzelkomponenten bestimmt werden, um die Wirksamkeit der Maßnahme beurteilen zu können. Der flexible Einbezug unterschiedlicher lokaler Bedingungen oder verschiedener patienten- sowie arztindividueller Perspektiven ermöglicht eine ganzheitliche Analyse der Auswirkungen der Intervention auf unterschiedliche klinische Parameter.
Auf Grundlage der Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Evaluation kann entschieden werden, ob die Innovation eine kosteneffektive Investition darstellt oder ob die zusätzlich aufzuwendenden Ressourcen ggf. effizienter genutzt werden könnten (Opportunitätskosten). Die Ergebnisse der Kosten-Effektivitätsanalyse und der Kosten-Nutzwertanalyse werden als inkrementelle Kosten-Effektivitäts-Relation (IKER) bzw. Kosten-Nutzwert-Relation abgebildet, welche die zusätzlich entstandenen Kosten ins Verhältnis zu den nachgewiesenen Verbesserungen hinsichtlich der Wirksamkeit setzt.
Um die Realisierbarkeit einer Intervention in der Regelversorgung zu bewerten, wird die Evaluation von einer Prozessevaluation begleitet. Im Rahmen der Prozessevaluation werden die einzelnen Verfahren, Dynamiken und Kontextfaktoren zur Umsetzung einer Intervention hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen systematisch analysiert und reflektiert. Auf diese Weise können wichtige Informationen zur weiteren Optimierung des Vorhabens identifiziert werden.
Gemäß MRC-Framework ist die geplante Umsetzung der hier skizzierten Schritte die Bedingung für eine wohlbegleitete Implementierung der neuen Versorgungsform in die Regelversorgung.
Laufende Forschungsprojekte
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DNPM
Das Projekt „Deutsches Netzwerk für Personalisierte Medizin (DNPM)“ hat zum Ziel, ein bundesweites Versorgungsnetzwerk im Bereich der personalisierten Onkologie zu implementieren.
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FLS-Care
Im Rahmen des Projekts „Fracture Liaison Service (FLS) zur Implementierung einer integrierten Versorgungsstruktur zur Vermeidung von Osteoporose-bedingten Folgefrakturen“ sollen multidisziplinäre Netzwerke gebildet werden, um Versorgungslücken in der Osteoporose-Therapie sektorenübergreifend zu schließen.
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ImPuls
Im Rahmen des Forschungsprojekts „ImPuls: Starke Psyche durch Motivation und Bewegung" wird ein verhaltenstherapeutisches Bewegungsprogramm für Patient:innen mit psychischen Erkrankungen evaluiert. Das Projekt zielt auf eine Verringerung der Versorgungskosten und eine Steigerung der Versorgungseffizienz ab.
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KIPeriOP
Das Projekt „KIPeriOP – KI-augmentierte perioperative klinische Entscheidungsunterstützung“ hat zum Ziel, die perioperative Versorgungsqualität mittels einer Leitlinien-basierten Software zur klinischen Entscheidungsunterstützung zu verbessern.
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PRISMA
Im Projekt „Primäres hormon-sensitives Mammakarzinom: Bedarfsgerechte Optimierung der Versorgung durch eine patientenzentrierte, digitale Anwendung (PRISMA)“ wird untersucht, inwieweit die Brustkrebs-Nachsorge durch eine digitalunterstützende Applikation verbessert werden kann.
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SOG
Die Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg leitet das Projekt „Spezielle Orthopädische Geriatrie (SOG)". In diesem durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss geförderten Projekt sollen die Versorgungsqualität gesteigert und die Versorgungsdefizite von orthopädischen Patient:innen mit geriatrischen Begleiterkrankungen behoben werden.
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TEMPiS-GÖA
Im Forschungsprojekt wird evaluiert, ob der Einsatz eines mobilen Interventionsteams durch einen Helikopter bei der Behandlung ischämischer Schlaganfallpatient:innen in ländlichen Regionen kosteneffektiv ist. Im Rahmen des neuen Versorgungsmodells TEMPiS-FIT ist dieses mobile Interventionsteam seit 2018 in Südostbayern im Einsatz.
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BlenCon
Im Projekt BlenCon wird eine digitale Infrastruktur aufgebaut, die eine intensive Zusammenarbeit zwischen Hausarztpraxis, Facharzt und Pflegepersonal ermöglicht und so die Versorgung der herzkreislaufkranken Pflegebedürftigen langfristig sicherstellt. Im Mittelpunkt stehen telemedizinische Visiten durch Fachärztinnen und Fachärzte, die vor Ort von einer speziell geschulten Pflegekraft unterstützt werden.
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PRIMA
Das PRIMA-Projekt hat das Ziel, Hausarztpraxen zu multiprofessionellen Primärversorgungszentren unter Einbindung von Pflegefachpersonen zu transformieren. Das Fachgebiet für Gesundheitsökonomie evaluiert das Projekt u.A. anhand von vermiedenen ambulant-sensitiven Notfällen.
Abgeschlossene Forschungsprojekte
ACD (2017-2021)
Mit dem Projekt sollte die Abstimmung zwischen den an der Behandlung beteiligten Arztpraxen und damit die Gesundheitsversorgung verbessert werden. Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie hier.
Cardiolotse (2018-2022)
Das Projekt richtete sich an Patient:innen, die an einer chronischen Herzerkrankung leiden. In dem Projekt wurde ein Versorgungsmodell für eine verbesserte Weiterbehandlung nach einem Klinikaufenthalt entwickelt. Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie hier.
SDM (2018-2022)
Das Projekt "Making SDM a Reality - Vollimplementierung von Shared Decision Making im Krankenhaus" hatte zum Ziel, die Kommunikation zwischen Leistungserbringern und Patient:innen zu verbessern sowie die Gesundheitskompetenz der Patient:innen zu fördern. Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie hier.
TeleDerm (2017-2020)
In diesem Projekt wurde ein innovatives telemedizinisches Modell für die hautärztliche Versorgung getestet, welches den Hausärzt:innen ermöglichen soll, Patientendaten und Befunde mit Dermatolog:innen auszutauschen und Behandlungsempfehlungen des Dermatologen einzuholen. Weitere Informationen finden Sie hier.